Sie nennen sich „Russkaja Obschtschina“ oder „Russkaja Druschina“ – sie tragen Uniformen, patrouillieren auf den Straßen und kontrollieren Menschen mit dunklerer Haut. Was wie staatlicher Ordnungsdienst aussieht, ist in Wirklichkeit ein nationalistisch-extremistisches Netzwerk, das mit Duldung und oft sogar mit Unterstützung der regionalen Machthaber agiert.
Wenn der Staat wegsieht – oder heimlich applaudiert
Die „Russkaja Obschtschina“ ist keine Randerscheinung mehr. Mit über 150 Untereinheiten agieren diese paramilitärischen Gruppen inzwischen landesweit. Dabei erhalten sie Unterstützung von Lokalregierungen und wohlhabenden Geschäftsleuten, die sie als „Schutzpatrone konservativer Werte“ hofieren. In Wahrheit sind sie eine neue Form von Straßenmacht: Sie kontrollieren willkürlich Migranten, durchsuchen Papiere, filmen Übergriffe und inszenieren sich als Helden.
Die Sicherheitsbehörden? Schweigen. Oder schieben die Verantwortung hin und her. Dabei verstoßen diese Gruppen klar gegen das Gesetz, indem sie ohne Befugnisse Menschen kontrollieren, festhalten oder drangsalieren. Was früher als Ultranationalismus geächtet war, wird heute als „ziviles Engagement“ verpackt – eine perfide Normalisierung von Gewalt.
Ethnische Spannungen als politischer Sprengstoff
Besonders perfide ist, dass sich der Zorn dieser „Bürgerwehren“ gezielt gegen Menschen aus Zentralasien und dem Nordkaukasus richtet. Selbst wer sich angepasst verhält oder gar schon russischer Staatsbürger ist, kann ins Visier geraten – allein wegen Hautfarbe oder Akzent.
Das perfide Resultat: Ein wachsendes Klima der Angst und Entfremdung unter ethnischen Minderheiten. Immer mehr junge Menschen aus Tschetschenien, Dagestan, Tuwa oder Baschkortostan fragen sich: „Warum sollen wir Teil eines Staates sein, der uns hasst?“ Die Folge: Wachsende Rufe nach Autonomie, Referenden oder gar Abspaltung.
– Mein persönlicher Tipp: Wer diesen Entwicklungen gegensteuern will, sollte nicht schweigen. Jede Dokumentation, jede Veröffentlichung, jeder offene Brief zählt. Es braucht Sichtbarkeit für das, was im Schattenstaat passiert.
Zwischen Patriotismus und Paranoia
Die „Russkaja Obschtschina“ ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom. Überall dort, wo der Staat seine Pflicht zum Schutz aller Bürger aufgibt, entstehen solche Lückenfüller. Doch wenn Gewalt und Nationalismus zur Staatsräson werden, droht der eigentliche Zerfall: nicht von außen, sondern von innen.
Diese Gruppen destabilisieren das Land – nicht, weil sie laut sind, sondern weil sie systematisch Vertrauen zerstören. In den Staat. In das Zusammenleben. In die Zukunft.
Was bleibt zu tun?
Wachsam bleiben. Informieren. Druck aufbauen. Wenn du in einer Region lebst, in der solche Gruppen aktiv sind, kannst du:
– eine Beschwerde an die Staatsanwaltschaft formulieren,
– eine parlamentarische Anfrage unterstützen,
– Journalist:innen auf Vorfälle aufmerksam machen,
– selbst über soziale Medien berichten.
Was denkst du – wie könnte echter Zusammenhalt heute aussehen?
PS: Falls du direkte Hilfe brauchst, um einen formellen Antrag oder eine Beschwerde zu schreiben – melde dich. Ich helfe gern beim Formulieren.
PPS: Lies auch den Originalartikel des Wall Street Journal über die „Russkaja Obschtschina“ und ihr Netzwerk – eine erschütternde Recherche: Hier geht’s zum Artikel →