Am 14. Februar belief sich die Zahl der Todesopfer der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar in der Türkei und Syrien auf über 37.000, wie Reuters berichtet. Das Erdbeben in Ostanatolien mit einer Stärke von 7,7 löste Bodeneinbrüche sowie den Einsturz zahlreicher Gebäude aus und bewegte die ganze Welt.
Zentralasien zeigt sich solidarisch mit den Opfern, vor allem mit der Türkei. Die starke Unterstützung durch die zentralasiatischen Staaten liegt u.a. darin begründet, dass sie gemeinsam mit der Türkei in der Organisation der Turkstaaten sind, zu der neben Aserbaidschan auch Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Turkmenistan gehören. Jeder zentralasiatische Präsident reiste in den Tagen nach der Katastrophe persönlich nach Istanbul, um der türkischen Bevölkerung sein Beileid auszusprechen, wie die kirgisische Agentur AkiPress berichtet.
Obwohl auch für Syrien humanitäre Hilfe bereitgestellt wurde, insbesondere von Kasachstan, das 50 Tonnen umfassende Hilfsgüter an die syrische Regierung schicken wird, war die Solidarität mit der Türkei größer, da die Beziehungen zwischen ihr und den zentralasiatischen Republiken sehr eng sind.
Humanitäre Hilfe sofort bereitgestellt
Angesichts der humanitären Notlage, in der sich die Region Kahramanmaraş befindet, hat die kasachstanische Regierung in Istanbul 1 Million US-Dollar (929.336 Euro) bereitgestellt. Auch humanitäre Hilfe in Form von Freiwilligen wird von der kasachischen Botschaft in der Türkei organisiert, berichtet TengriNews.
Kirgistan kündigte seinerseits an, eine Gruppe von 60 Ärzt:innen in die Türkei zu senden, um Verletzte zu versorgen, wie 24.kg berichtet. Derzeit werden zwei Flugzeuge vorbereitet, die in die Türkei geschickt werden sollen, um den Erdbebenopfern Hilfe zu leisten. Darüber hinaus werden von kirgisischer Seite gemäß dem Pressedienst der Präsidialverwaltung 100 Jurten, etwa 20 isolierte Militärzelte und ein mobiles Krankenhauszelt verschickt.
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Auch aus Usbekistan wurden 170 Tonnen Hilfsgüter in die Türkei geschickt, sowohl von der Regierung als auch von Usbekistaner:innen selbst, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. 100 Helfer:innen und Ärzt:innen seien bereits in die türkische Katastrophenregion entsandt worden, erklärte Radio Ozodlik.
Turkmenistan seinerseits schickte ein Flugzeug mit einem Rettungsteam, darunter zehn Ärzt:innen. Selbst Tadschikistan, das nicht zur Organisation der Turkstaaten gehört und weniger starke Verbindungen zur Türkei hat, schickte rund 50 Rettungskräfte ins Land – das erste Mal seit seiner Unabhängigkeit, wie Anadolu berichtet.
Menschen zentralasiatischer Herkunft als wichtige Gemeinschaft in der Türkei
Einer der Gründe für die rege Unterstützung der Türkei ist, dass viele Zentralasiat:innen in der Türkei leben und arbeiten. Bisher ist laut Gazeta.uz eine usbekistanische Staatsbürgerin bei dem Erdbeben ums Leben gekommen, ebenso zwei Bürger aus Kasachstan, während mehrere noch vermisst werden, erklärte TengriNews. Das kasachstanische Notstandsministerium evakuierte auch 22 Kirgistaner:innen aus der Türkei, schreibt Current Time.
Das Dissidentenmedium Turkmen News berichtete, dass in der Türkei 4 turkmenische Staatsbürger unter den Trümmern eingestürzter Gebäude ums Leben gekommen seien. Am 9. Februar gab der Vorsitzende des Halk Maslakhaty, ehemaliger Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow, zu, dass sich unter den Opfern auch Bürger:innen Turkmenistans befänden, ohne jedoch die Anzahl der Opfer zu nennen.
Bürger:innen aus Zentralasien leben schon seit vielen Jahren in der Türkei. Gemäß dem Statistikinstitut der Türkei lebten im Jahr 2020 91.218 turkmenistanische, 36.510 usbekistanische, 23.645 kasachstanische und 18.017 kirgistanische Staatsbürger:innen in der Türkei.
Sorge um Projekte mit der Türkei
Die Katastrophe für die zentralasiatischen Partnerländer hat sich in die Köpfe der Menschen eingebrannt. Seit dem Krieg in der Ukraine bietet sich die Türkei als Alternative an, zur Diversifizierung wirtschaftlicher und diplomatischer Partner Zentralasiens, erklärte The Diplomat im Oktober letzten Jahres. Obwohl die Türkei keine gemeinsamen Grenzen mit den Ländern der Region hat, entwickelt sie sich zu einem der wichtigsten Handelspartner, stellt ein analytischer Artikel von Cabar Asia fest. Der Handel mit der Türkei ist auch für Zentralasien von Vorteil, da ihr Markt wächst.
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Das Erdbeben in der Türkei verursachte schwere Schäden an der Schienen- und Straßeninfrastruktur sowie an den Start- und Landebahnen des Flughafens. Da sich die Schäden jedoch im Süden des Landes befanden, dürften die Straßen und Versorgungsketten für Zentralasien nicht betroffen sein, stellte das usbekistanische Medium Spot fest.
Die Wohnungsbaupolitik in Zentralasien wird deutlich hinterfragt
Die seismologischen Institute der zentralasiatischen Länder haben wiederholt betont, dass Gebäude in Zentralasien so gebaut werden, dass sie Erdbeben bis zur Stärke 9, im Fall von Almaty sogar bis zur Stärke 10, standhalten würden, erklärt Radio Free Europe.
Zu Sowjetzeiten wurden Gebäude vor dem Bau getestet, um den in der Region häufig vorkommenden seismischen Schocks standhalten zu können. Im Jahr 1887 in Almaty, damals Vernij, und 1966 in Taschkent zerstörten heftige Erdbeben die beiden Städte fast vollständig.
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Kirgistan und Tadschikistan weisen ebenfalls Gebiete mit hoher seismischer Aktivität auf und Turkmenistan soll am 6. Februar von einem Erdbeben betroffen gewesen sein, ohne dass die turkmenischen Behörden weitere Informationen herausgegeben hätten, berichtet Turkmen News.
Angesichts dieser Risiken zeigen sich die Behörden Usbekistans allmählich besorgt. Ohne das Erdbeben auf der anatolischen Platte zu erwähnen, kündigte der Präsident Usbekistans Shavkat Mirziyoyev am 8. Februar einen Baustopp in Taschkent an, bis ein neuer Bebauungsplan bestehe. In der Tat stellt sich in der Hauptstadt Usbekistans auch ohne Erdbeben die Frage nach der Gebäudesicherheit. Ein Beispiel dafür ist ein Gebäude in Taschkent, das sich in zwei Teile spaltete, wie Kun.uz am 11. Februar berichtete. Die Erdbeben in der Türkei und in Syrien klingen daher wie eine Warnung für die Politiker in Zentralasien.
Emma Collet, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Michèle Häfliger