Am 16. Februar wurden auf Empfehlung des Justizministeriums die Aktivitäten des Unabhängigen Zentrums zum Schutz der Menschenrechte in Tadschikistan unterbunden. Dies berichtet Radio Ozodi, der tadschikische Dienst von Radio Free Europe. Eine Praxis „in Übereinstimmung mit den Taktiken der administrativen und bürokratischen Belästigung von NGOs in Tadschikistan, die seit fünf bis sieben Jahren praktiziert werden“, so Syinat Sultanalieva, Forscherin bei der NGO Human Rights Watch.
Das Unabhängige Zentrum für den Schutz der Menschenrechte war eine der wenigen öffentlichen Stellen, bei denen es möglich war, kostenlose Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen, erklärt das tadschikische Nachrichtenportal Asia-Plus. Es befasste sich insbesondere mit dem Anspruch auf Sozialwohnungen. Nach Angaben des Justizministeriums wurden 2022 rund 500 öffentliche Körperschaften liquidiert. Das sind fast 350 Körperschaften mehr als 2021.
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Doch die Zensur der Zivilgesellschaft macht nicht bei NGOs halt. Blogger:innen und Aktivist:innen sind ebenfalls Opfer einer sich beschleunigenden Repression. Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Mary Lawlor, besuchte Tadschikistan vom 28. November bis 9. Dezember. Die Unterdrückung von Journalist:innen und Blogger:innen erfolge willkürlich mit „wenig zuverlässigen Beweisen, nach unzureichenden Ermittlungen und Prozessen, die hinter verschlossenen Türen stattfinden“, erklärte sie im Dezember gegenüber Bruce Pannier, einem Journalisten von Radio Free Europe.
Blogger:innen und Journalist:innen im Visier der Behörden
In den letzten Monaten ist auch die Zahl willkürlicher Verhaftungen von Blogger:innen in Tadschikistan stetig gestiegen, wobei nicht weniger als drei von ihnen der „Unmoral“ beschuldigt wurden. Wie Radio Ozodi am 18. Januar berichtete, wurde der Influencer Habibullo Himmatsoda wegen „beleidigender Videos“ fünf Tage lang in Duschanbe festgehalten. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Bloggerin Saida Latifova, die im Dezember wegen derselben Anschuldigungen mit einer Geldstrafe belegt wurde. Laut Polizei habe sie „während einer Live-Übertragung im sozialen Netzwerk Tik-Tok andere Gesprächspartner obszön beleidigt“.
Laut Syinat Sultanalieva sei klar, dass das Regime von Jahr zu Jahr restriktiver wird: „Wo es vor nur einem Jahrzehnt eine lebendige Zivilgesellschaft gab, sind die wenigen verbliebenen NGOs und Blogger des Landes gezwungen, Wege zu finden, ihre Arbeit fortzusetzen, ohne verhaftet zu werden.“
LGBT-Rechte immer noch tabu
In Duschanbe wurden zehn Vertreter der LGBT-Gemeinschaft wegen des Verdachts festgenommen, Bürger mit dem Immunschwächevirus (HIV) infiziert zu haben, berichtete Radio Ozodi am 15. Februar. „Interessant an diesem Artikel war, dass die Strafverfolgungsbehörden zugegeben haben, LGBT-Gemeinschaften irgendwie ‚überwacht‘ zu haben, was zu den Gerüchten über ‚Schwulenlisten‘ der Polizei beiträgt“, analysiert Sultanalieva. Sie bestätigt aber, dass es in Tadschikistan weiterhin Gruppen von LGBT-Aktivist:innen gibt, die verdeckt arbeiten.
Die tadschikischen Behörden ihrerseits bestreiten weiterhin die Belästigung oder Verfolgung sexueller Minderheiten. Mary Lawlor erklärte jedoch, dass Tadschikistan den Empfehlungen internationaler Organisationen zu LGBT-Rechten nicht folgt, da diese Menschen laut dem Gesetz „außerhalb der moralischen und ethischen Standards der Beziehungen zwischen Menschen im Land“ stehen.
Moralisierung des öffentlichen Lebens
Tatsächlich findet in Tadschikistan eine Verschärfung konservativer moralischer Werte statt, wobei die Gründe für diese Festnahmen nicht wirklich angegeben werden, analysiert Cabar. Unter dem Vorwand, „das Bewusstsein der Bürger:innen für die Nutzung sozialer Netzwerke zu schärfen und die Kultur und nationale Identität zu wahren“, sei es das Ziel der Regierung, den Spielraum der Meinungsfreiheit im öffentlichen Raum zu verringern.
„Das erste Ziel besteht darin, die Kontrolle über die öffentliche Meinung auszuweiten, respektive über diejenigen, die die öffentliche Meinung beeinflussen können“, erklärt der tadschikische Medienexperte Abdumalik Kadyrov im Artikel von Cabar. Er glaubt jedoch, dass die Behörden bei diesem Bemühen „so weit gegangen sind, dass sie selbst nicht mehr wissen, was sie tun“.
Die Repression der Pamiris bleibt aktuell
Ein weiteres Zeichen für ein autoritäres Abdriften ist, dass die tadschikischen Behörden seit den Protesten im November 2021 Mitglieder der Pamiri-Gemeinschaft ins Visier nehmen. Die ethnische Minderheit lebt hauptsächlich in der im Osten des Landes gelegenen Autonomen Provinz Berg-Badachschan. Die Regierung reagierte auf friedliche Proteste mit einer „Sicherheitsoperation“, die zu Dutzende Toten und Hunderten Inhaftierten führte.
Laut dem lokalen Medium Pamir Daily beschrieb der Präsident des Obersten Gerichtshofs die Demonstrierenden in Berg-Badachschan am 16. Januar als „kriminelle Bandeschefs aus Chorugh und Ruschon“ (die Orte, in denen die Schwerpunkte der Demonstrationen lagen, Anm. d. Red.). Er erklärte, dass sie alle nach den Gesetzen des Landes strafrechtlich verfolgt und zu Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu lebenslanger Haft verurteilt worden seien. Die Prozesse fanden hinter verschlossenen Türen statt, ohne Transparenz oder Unabhängigkeit von den Behörden.
Laut Syinat Sultanalieva ist es jedoch sehr schwierig, von einem Wendepunkt in der Repression zu sprechen. „Dies ist wahrscheinlich ein Akt brutaler Gewalt, der darauf abzielt, die Kontrolle über die Region zurückzugewinnen und ein Signal an den Rest der kritisch gesinnten Menschen im Land zu senden.“ Aber in dieser aufgrund eines sich abzeichnenden Generationenwechsels im Präsidentenamt unsicheren Zeit sollten „die Behörden für die Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden, die sie gegen normale Bürger:innen, Menschenrechtler:innen und andere begangen haben“.
Emma Collet, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth