„Mit Global Gateway hat Europa die Chance, geopolitisch sichtbar zu werden“

von Andrea Sellmann und Mary Abdelaziz-Ditzow Die EU ist aufgewacht - das sieht auch EU-Botschafter Michael Clauß so: Mit der Infrastruktur-Initiative „Global Gateway“ will sich Europa gegenüber Chinas neuer Seidenstraße behaupten. Kasachstan zählt zu den ersten Leuchtturmprojekten

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Kasachstan ist Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in Zentralasien. Das neuntgrößte Land der Welt ist nur dünn besiedelt, aber um so reicher an Rohstoffen. Wertvolle Ressourcen, die Europa gerade dringend braucht, um die Energiewende voranzutreiben. Schaut man auf die Landkarte, liegt Kasachstan mitten zwischen Europa und China. Und auch wirtschaftlich kommt Interesse von beiden Seiten.

Kasachstan ist direkter Nachbar Chinas. Beide Länder teilen sich eine rund 1800 Kilometer lange Grenze. Im Zuge der neuen Seidenstraße, mit der der chinesische Präsident Xi Jinping seit 2013 in den weltweiten Ausbau von Handelswegen investiert, hat Kasachstan eine große Bedeutung auf der Landroute. So sind dort etwa riesige Containerumladeplätze entstanden, die aufgrund unterschiedlicher Spurbreiten von Eisenbahntrassen nötig wurden, erklärt Hendrik Wehlen, Logistikexperte der VTG AG, dem größten privaten Waggonanbieter in Europa.

China und Kasachstan sind ökonomisch längst stark miteinander verflochten. Doch auch der Westen hat das wirtschaftliche Potential des Landes erkannt. So hat die EU-Kommission, nach langen Jahren in der Zuschauerrolle, nun ihre eigene Investitionsinitiative gestartet: Bei „Global Gateway“ will sie bis zum Jahr 2027 Gelder in Höhe von rund 300 Mrd. Euro mobilisieren, um Infrastrukturprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern auf- und auszubauen. Kasachstan ist ganz vorn mit dabei, mit Projekten zu grünem Wasserstoff und kritischen Rohstoffen.

Entscheiden muss sich Kasachstan dabei nicht. Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß erklärt, Drittländer könnten sowohl mit China als auch mit Europa unterschiedliche Projekte realisieren. Zu Anfang habe China mit Sorge auf die europäische Initiative geblickt, erklärt Clauß im Podcast „Wirtschaft Welt & Weit“. Inzwischen hätten die Chinesen aber erkannt, dass „Global Gateway“ kein „Kampfinstrument“ sein will. Oder kann. Denn auch wenn die EU nun erstmals ganz neue Sichtbarkeit als geopolitischer Player erlangt hat, ist Chinas Vorsprung einfach enorm.

Kooperation statt Konfrontation ist also das Mittel der Wahl der Europäer: Beide Projekte könnten sogar mehr als nur koexistieren, erklärt der EU-Botschafter: „Theoretisch ist es durchaus möglich, dass wir mit dem chinesischen Seidenstraßenprojekt kooperieren.“ Allerdings nur zu europäischen Konditionen: So müsse man etwa die Schuldentragfähigkeit der jeweiligen Länder im Blick haben und europäische Standards einhalten. Bisher sieht er das bei chinesischen Projekten nicht gegeben.

Wirtschaftlich soll die Initiative der EU-Kommission also kein Konkurrenzprojekt zur neuen Seidenstraße sein, sondern eher eine Alternative. Global Gateway legt einen Fokus auf grüne Projekte und auf nachhaltige Kooperationen, die den Partnerländern langfristige Vorteile bieten. Heißt konkret: Es sollen Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung entstehen, Know-how transferiert und Umweltstandards eingehalten werden. Global betrachtet ist es für Clauß trotzdem „eine Systemkonkurrenz, die sich hier manifestiert.“

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