Mechaniker, Bäcker, Maurer – diese Berufe stoßen heutzutage leider nur noch auf geringes Interesse. In Deutschland gibt es seit langem den Trend „Studieren statt Ausbildung“. Die Handwerkskammer Thüringen führt seit Anfang dieses Jahres nun ein Pilotprojekt zur ausländischen Fachkräftegewinnung durch, um dem in Deutschland herrschenden Mangel entgegenzuwirken. Neben Vietnam, der Republik Moldau und Georgien ist auch Kasachstan in das Projekt aufgenommen worden. Dazu waren vor kurzem Kateryna Klein und Niklas Waßmann von der Handwerkskammer Thüringen in Almaty, um mögliche Partnerorganisationen vor Ort anzuwerben. Im Gespräch mit dem möglichen Partner „Deutsch-Zentrum“ – eine beliebte Sprachschule für hochqualifizierte Deutschkurse – erfuhren wir von den Vertretern, was Kasachstan für das Projekt so attraktiv macht.
Das sogenannte CRAFT-Programm der Handelskammer Thüringen beschäftigt sich mit einer Vermittlungspraxis für Handwerksbetriebe, die speziell an ausländischen Fachkräften interessiert sind. Dabei werden die Betriebe aktiv bei der Fachkräftegewinnung unterstützt. „Das Besondere an diesem internationalen Ausbildungsprogramm ist, dass den Interessierenden nicht nur eine Berufsausbildung in einem mittelständigen Handwerkerbetrieb gewährleistet wird, sondern die jungen Menschen auch bei dem Integrationsprozess in dem für sie fremden Land in einer fremden Gesellschaft unterstützt werden“, betonte Waßmann im Laufe des Gesprächs.
Duales Modell oft unbekannt
Niklas Waßmann leitet bei der Handwerkskammer den Bereich der beruflichen Bildung. Er bezeichnet das Bundesland Thüringen als ein Bindeglied mit traditionellen Beziehungen zu Osteuropa; viele der Einwohner sind Aussiedler und Spätaussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, zudem zählt der Landtag Thüringen eine Abgeordnete, die zu den Spätaussiedlern aus Kasachstan zählt.
„Man muss natürlich auch ein Vorwissen über Deutschland mitbringen und auch wissen, was eine Berufsausbildung überhaupt ist“, so Waßmann weiter. Das duale Berufsausbildungsmodell, welches in der Regel für drei Jahre angesetzt ist, ist außerhalb Deutschlands oft unbekannt. Die möglichen Kandidatinnen und Kandidaten werden also neben dem benötigten Deutsch-Sprachniveau B1 auch inhaltlich über die Berufe geschult. Voraussetzungen für die Teilnahme am Projekt ist neben den Sprachkenntnissen das Mindestalter von 18 und maximal 30 Jahren.
Ebenfalls sollten die Interessenten eine abgeschlossene Schulausbildung mitbringen, entsprechend der deutschen Mittleren Reife oder das Abitur. Das Wichtigste aber: Die Bereitschaft, im Freistaat Thüringen in einer Kleinstadt oder gar auf dem Dorf zu leben und zu arbeiten. „Wir erwarten von unseren möglichen Partnern in Kasachstan, dass diese die Schülerinnen und Schüler vollständig vorbereiten, so dass es für diese keine unerwarteten Überraschungen gibt“, fügte Kateryna Klein hinzu.
Große Pläne für die Zukunft
Geboten wird den Auszubildenden aus Kasachstan eine Ausbildungsvergütung von 1.000 Euro brutto. Ebenfalls hilft die Projektleitung bei der Suche nach einer Unterkunft und unterstützt die jungen Menschen bei der Integration in die deutsche Gesellschaft. Nach erfolgreicher Lehre erhalten die Auszubildenen einen Gesellenabschluss, der international anerkannt wird. Ebenfalls verspricht Niklas Waßmann, dass das Lohnniveau nach der Ausbildung mit dem von akademischen Berufen mithalten kann. Im Anschluss stehen die Türen für eine Weiterbildung offen.
Das Projekt, welches vom Freistaat Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird, ist zunächst für drei Jahre angesetzt. Dabei werden aus Kasachstan zu Beginn ungefähr 30 Interessenten an einer Berufsausbildung in Deutschland gesucht. Bei einer erfolgreichen Evaluation ist der nächste Schritt, dieses Niveau langfristig zu erhalten und die Zahl der Fachkräftebetreuung zu erhöhen. Der Direktor des „Deutsch-Zentrum“ Musa Khasanow zeigte sich im Gespräch sehr offen und drückte seine Bereitschaft aus, das Vorhaben zu unterstützen und seine Schüler bei Interesse auf die mögliche Ausbildung in Deutschland nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich vorzubereiten. Im kommenden Herbst wird dann möglicherweise eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.
Annabel Rosin