Fast zehn Jahre sind vergangen, seit Xi Jinping seine Belt-and-Road-Initiative (BRI) vorstellte. Bei einem öffentlichen Auftritt in Kasachstan im Herbst 2013 präsentierte Chinas Staats- und Parteichef mit grossem Getöse seinen Megaplan, im Rahmen dessen China in entfernten Regionen Afrikas, Osteuropas, in Südostasien und in der arabischen Welt Brücken, Häfen, Eisenbahnlinien und weitere Infrastrukturprojekte bauen will. Von einem «Projekt des Jahrhunderts» sprach Xi seinerzeit. Bis zu einer Billion Euro wollte China investieren und damit auch seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Welt ausbauen.
Peking rannte bei vielen Entwicklungs- und Schwellenländern offene Türen ein. Doch inzwischen ist vielen, auch chinesischen Verantwortlichen, die Feierlaune gründlich vergangen. Ein Grund dafür sind die immer grösseren Zahlungsausfälle. Nach neuen Berechnungen der Rhodium Group in New York mussten chinesische Kreditinstitute zwischen 2020 und März dieses Jahres Kredite mit einem Volumen von insgesamt 78,5 Milliarden Dollar abschreiben oder nachverhandeln. Gemäss Schätzungen hat China im Rahmen der BRI bis heute Kredite mit einem Gesamtvolumen von einer Billion Euro vergeben.
Die Probleme sind auch hausgemacht
Natürlich konnten chinesische Geldgeber die Pandemie, steigende Zinsen und die globale Konjunkturschwäche 2013 nicht vorhersehen. Doch zumindest zu einem Teil sind die jetzigen Probleme auch hausgemacht. Chinas Entwicklungsbanken wie die China Exim Bank und die China Development Bank verlangen von den Empfängerländern, anders als westliche multilaterale Geberorganisationen, gemeinhin Marktzinsen. Dazu kommt ein gehöriges Mass an Intransparenz. Üblicherweise verpflichtet China die Empfänger der Kredite zur Geheimhaltung der Zahlungskonditionen.
Auch haben die chinesischen Banken ihre Kredite nicht in jedem Fall für ökonomisch sinnvolle und nachhaltige Projekte vergeben. Eine Autobahn quer durch Montenegro, ein Land mit etwas mehr als 600 000 Einwohnern, die zu 60 Prozent aus Tunneln besteht, kostet nach bisherigen Berechnungen rund eine Milliarde Dollar und sprengt damit die finanziellen Kapazitäten des südosteuropäischen Zwergstaates.
Eine Bahnstrecke zwischen der indonesischen Hauptstadt Jakarta und dem 145 Kilometer entfernten Bandung sollte ursprünglich 2018 fertiggestellt werden und 5,5 Milliarden Dollar kosten. Doch die Arbeiten verzögerten sich immer wieder, und die veranschlagten Kosten stiegen auf knapp 7,4 Milliarden Euro. Erst vor wenigen Wochen haben sich die indonesische Regierung und Peking auf eine Aufteilung der zusätzlichen Kosten verständigt. Dazu wird die China Development Bank einen neuen Kredit vergeben. Die Strecke soll nun im Juni fertiggestellt sein.
Ursache solcher Fehlplanungen ist auch der Umstand, dass es sich bei der BRI in erster Linie um eine politische und nicht um eine wirtschaftliche Massnahme handelt. Akteure wie die chinesischen Entwicklungsbanken akquirieren oft auf direkten Druck Xis Infrastrukturprojekte in aller Welt und vergeben die nötigen Kredite; Fragen nach der ökonomischen Sinnhaftigkeit werden bei solchem politischen Druck pflichtbewusst hintangestellt.
Skepsis in westlichen Ländern
Auch deshalb kommt zu der Skepsis gegenüber der BRI in westlichen Staaten in jüngster Zeit auch Kritik vonseiten chinesischer Politiker, die freilich nur hinter vorgehaltener Hand geäussert wird. In Zeiten leerer Kassen bei vielen Lokalverwaltungen solle das viele Geld besser in China als im Ausland ausgegeben werden, ist etwa zu hören.
Doch ein Abgesang auf die BRI wäre sicherlich verfrüht. Xi will an seinem Prestigeprojekt festhalten, was sich auch darin zeigt, dass Peking in diesem Jahr ein grosses BRI-Forum ausrichten wird, vermutlich in Hongkong. Vielmehr wird Xi die neue Seidenstrasse in seine Globale Entwicklungsinitiative, die Globale Sicherheits-Initiative und seine neue, kürzlich präsentierte Globale Zivilisations-Initiative einbetten wollen. Die BRI wird damit noch stärker Teil von Xis Strategie, der traditionellen westlich-amerikanisch geprägten Weltordnung eine alternative, eher vom sogenannten globalen Süden geprägte Ordnung entgegenzusetzen.