FRANKREICH: KEIN POLITISCHES ASYL MEHR FÜR MUHTAR ÁBLIAZOV

Der von den kasachstanischen Behörden der Veruntreuung mehrerer Milliarden Euro angeklagte Geschäftsmann und Regimegegner Muhtar Áblıazov genießt in Frankreich kein politisches Asyl mehr. Die Entscheidung fiel wenige Tage nach dem Frankreich-Besuch von Kasachstans Präsidenten Qasym-Jomart Toqaev.

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In Frankreich nimmt die politisch-rechtliche Seifenoper um den kasachstanischen Oppositionellen Muhtar Áblıazov eine neue Wendung. Der Nationale Gerichtshof für Asylrecht (CNDA) hat am 21. Dezember 2022 seine Entscheidung über den politischen Flüchtlingsstatus des Geschäftsmanns, der früher an der Spitze der kasachstanischen BTA-Bank stand, aufgehoben. Im September 2020 war Áblıazov politisches Asyl in Frankreich gewährt worden.

Áblıazov war 2017 in Kasachstan wegen Unterschlagung von bis zu 7,5 Milliarden Dollar zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Im selben Jahr wurde in Frankreich ein weiteres Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. 2018 verurteilte ihn die kasachstanische Justiz zu lebenslanger Haft, weil er 2004 den Mord an dem ehemaligen Direktor der BTA-Bank Erjan Tátishev angeordnet haben soll.

Der CNDA erklärte zu seiner Entscheidung, dass sie sich auf Artikel 1 der Genfer Konvention stützt. Dieser soll verhindern, dass Menschen, die „schwerwiegende“ Verbrechen begangen haben, den Flüchtlingsstatus erhalten. Gegenüber Novastan erklärt das Gericht, dass es jedoch „ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass [Áblıazov] der Urheber einer groß angelegten Unterschlagung war, die nach allgemeinem Recht ein schweres Verbrechen darstellt“.

Auslieferung ausgeschlossen
Áblıazovs Verteidigung kündigte an, in Berufung zu gehen, um diese Entscheidung anzufechten. Der Verlust des Flüchtlingsstatus bewirkt jedoch keine wesentliche Änderung von Áblıazovs Situation: Mit einem subsidiären Flüchtlingsstatus kann er weiter in Frankreich bleiben.

Áblıazov wird auch nicht an Kasachstan, Russland oder die Ukraine – also jene Länder, die Haftbefehle gegen ihn erlassen haben – ausgeliefert werden. Nach einer ersten Stellungnahme der Untersuchungskammer von Aix-en-Provence in Bezug auf seine Auslieferung an Russland oder die Ukraine hatte der Staatsrat diese Entscheidung 2016 [fr] ausgesetzt, da er der Ansicht war, dass dies „aus politischen Gründen beantragt worden wäre“.

Druck aus Kasachstan?
Die Entscheidung des CNDA, Áblıazov den Flüchtlingsstatus abzuerkennen, kam jedoch für die Verteidigung überraschend. Sie fiel wenige Wochen nach dem Treffen [fr] zwischen Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und seinem kasachstanischen Amtskollegen Qasym-Jomart Toqaev am 20. November. Es war erwartet worden, dass Toqaev während seines Besuchs in Paris mit dem französischen Präsidenten über Áblıazov sprechen würde. Kasachstans stellvertretender Außenminister Roman Vasilenko dementierte laut Radio Free Europe aber jegliche Gespräche zu diesem Thema.

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Dann muss man an einen Zufall glauben. Es wäre allerdings nichts das erste Mal, denn auch im Oktober 2020, eine Woche nachdem ihm politisches Asyl gewährt worden war, hob der CNDA seine Entscheidung auf und Áblıazov wurde angeklagt. In einem 2020 in Le Monde veröffentlichten Artikel beteuert der Oppositionelle, er glaube nicht an einen „Zufall“ und seine Anklage müsse „mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Frankreich und Kasachstan“ zusammenhängen.

Eine lange Affäre
Áblıazov war unter dem ehemaligen Präsidenten Nursultan Nazarbaev als Minister für Energie, Industrie und Handel tätig. 1999 trat er nach anderthalb Jahren im Amt zurück und leitete verschiedene Unternehmen, bevor er sich an der Gründung der Partei „Demokratische Wahl Kasachstans“ beteiligte. Diese wurde 2005, kurz vor der Präsidentschaftswahl, von den Behörden aufgelöst. 2002 wurde Áblıazov wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zu sechs Jahren Haft verurteilt, kam aber bereits nach zehn Monaten wieder frei.

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