Einmalig in Zentralasien – Das Ismail-Samani-Mausoleum in Buchara

Beim Spaziergang durch das westliche Stadtzentrum von Buchara stößt man auf ein Gebäude, das in seiner architektonischen und farblichen Ausgestaltung seinesgleichen sucht: Das Ismail-Samani-Mausoleum.

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Samani-Mausoleum

Die Grabstätte, gelegen in einem zu Sowjetzeiten errichteten Park, ist das älteste Gebäude der usbekischen Stadt. Sie stammt aus dem 9. oder 10. Jahrhundert, verfügt über einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von zehn Metern, und ist 14 Meter hoch. Das architektonische Kleinod begeistert so sehr, dass man sich ohne weiteres eine Stunde in und um das Gebäude aufhalten kann.

Das Samaniden-Mausoleum in Buchara dient als Grabstätte Ismail Samanis, mit vollem Namen Abū Ibrāhīm Ismā’īl ibn-i Aḥmad-i Sāmāni. Es ist aus kunsthistorischer Sicht von großer Bedeutung, da es das älteste erhaltene Zeugnis islamischer Architektur in Zentralasien ist, und zudem das einzige Baudenkmal der Samaniden-Dynastie, welches bis heute erhalten geblieben ist.

Eine bemerkenswerte Eigenheit des Gebäudes ist zudem seine kunstvolle Verzierung, die in der islamischen Weltanschauung auf Gräbern eigentlich nicht erlaubt ist. Das Samaniden-Mausoleum, das als eines der wenigen Bauwerke in Buchara heute noch aus der Zeit vor dem Mongolensturm stammt, ist so auch in dieser Hinsicht eine Seltenheit.

Uralte Dokumente geben Aufschluss über Familienmitglieder
Samani war Emir von Transoxanien und von Chorasan. Er trug sehr zur Islamisierung der Region bei und ließ mitunter die erste persische Übersetzung des Koran anfertigen. Aus Buchara machte er einen Knotenpunkt auf der Seidenstraße.

Das Mausoleum stand einst im Zentrum eines Friedhofs und versank im Laufe der Zeit unter mehreren Sandschichten. In den 1930er Jahren wurde die Grabstätte von dem sowjetischen Archäologen Wassili Schischkin wiederentdeckt. Abgesehen von dem archaischen Erscheinungsbild machte er damals mehrere Hinweise auf die frühe Herkunft des Gebäudes aus.

Hinweisschild Ismail-Samani-Mausoleum

Am Portal des Osteingangs befand sich einst auf einer Holztafel ein Fragment eines kufischen Textes mit dem Namen Nasr ibn Ahmad ibn Ismails, der im Jahr 943 starb. Zudem gibt es Hinweise, dass in einer Bibliothek in Buchara eine Bescheinigung aus den Jahren 1568-69 entdeckt wurde – die selbst eine Kopie einer Bescheinigung aus dem 10. Jahrhundert gewesen sein soll, aus der hervorging, dass Ismail Land für das Grab seines Vaters Ahmad (gest. 864/865) zur Verfügung gestellt hatte, und dass mehrere Familienmitglieder dort begraben waren. Tatsächlich wurden drei Leichen im Grab selbst gefunden.

Haupteingang Ismail-Samani-Mausoleum

Vorbild für spätere Merkmale islamischer Architektur
Erst im 20. Jahrhundert wurde das Mausoleum vollständig freigelegt und komplett restauriert. Mit Blick auf die Gestaltung besteht das Gebäude aus Ziegeln, die in 47 Varianten im Mauerwerksverband angeordnet sind.

Das Grabmal ist architektonisch das erste in Zentralasien, bei dem der Übergang von einer runden Kuppel zu einem quadratischen Sockel über Einbuchtungen vollzogen wird. Hiermit wurde jedoch ein Designmerkmal eingeführt, das in den folgenden Jahrhunderten weit verbreitet war. Es ist auch ein Vorläufer der Muqarnas (Tropfsteingewölbe), die sich in der islamischen Architektur als eigenständiges dekoratives Element großer Beliebtheit erfreuten.

Ziegelanordnung im Mauerwerksverband

Es wird angenommen, dass das Mausoleum nicht nur dem Emir Samani, sondern der gesamten Samaniden-Dynastie (819-1005) als Familiengrab diente, die als Nachkommen einer persischen Adelsfamilie Transoxanien im Auftrag des Abbasiden-Kalifats mit Sitz in Bagdad regierte.

Ismail, der Namensgeber des Grabmals, regierte von 892 bis 907 und war der angesehenste Herrscher der Dynastie. Er wurde oft für seine Tugenden gefeiert und vom seldschukischen Wesir Nizam al-Mulk aus dem 11. Jahrhundert gelobt, der ihn in seinem Buch der Regierung als Vorbild für gute Führung empfahl.

Der Tod macht Mächtige und Schwache zu Gleichen
Traditionell riet der Islam vom Bau dauerhafter Mausoleen ab und betonte die Idee der „Angleichung der Gräber an den umgebenden Boden“, um damit zu signalisieren, dass der Tod den Unterschied zwischen Mächtigen und Schwachen aufhebe.

Die Regel wurde mitunter so streng befolgt, dass noch im 12. Jahrhundert Gräber in der Nähe von Buchara mit entsprechenden Verboten gekennzeichnet wurden. So fand man etwa auf einem von ihnen die Worte: „Der Prophet – Friede sei mit ihm – hat gesagt: Ich hatte euch verboten, zu den Gräbern zu pilgern.“ Es zeigt sich an dem Beispiel, dass der Erbauer das Bedürfnis hatte, die (überlieferten) Worte des Propheten zu verwenden, um damit überhaupt den Bau eines Mausoleums zu rechtfertigen. In der Ära der Samaniden war das Verbot wahrscheinlich noch strenger, obwohl die Abbasiden-Kalifen von Bagdad bereits dauerhafte Grabmäler bauten, von denen allerdings keines bis heute erhalten ist.

Deckengewölbe, Ismail-Samani-Mausoleum

Die Erbauer des Ismail-Samani-Mausoleums lehnten sich in Ermangelung bekannter Präzedenzfälle für die Gestaltung von Grabmälern in einem islamischen Rahmen stark an sassanidische Feuertempel an, die „chahar taq“ genannt wurden. Das bedeutet wörtlich so viel wie „mit vier Bögen“ und bezieht sich auf ihren quadratischen Grundriss mit vier bogenförmigen Öffnungen, über denen eine Kuppel thronte.

Detailansicht Mauerwerksverband im Innenraum des Mausoleums

Die sassanidischen chahar taq waren schmucklos und aus schwerem Mauerwerk gebaut. Im Gegensatz dazu wurde das Samani-Mausoleum aus gebrannten Ziegeln gebaut und – mit Ausnahme der Kuppel – überall verziert.

Das Ziegelmauerwerk ist in einem Muster angelegt, das für moderne Augen an einen geflochtenen Korb erinnert, mit vier solide gemauerten Säulen an den Ecken. Das Gesims wird durch eine Arkadengalerie belebt, die gleichzeitig viel Schatten wirft und Licht und Luft in den Innenraum lässt. Die Kuppel ist zwar dominant, teilt sich aber auch den Raum mit vier kleinen Kuppeln, die sie umgeben.

Grabmal des Ismail Samani

Dennoch bewahrt das Grabmal den Sinn für Ausgewogenheit und die fehlende Ausrichtung, die für den Chahar Taq charakteristisch waren. Die Qualität der Konstruktion und die Sicherheit des Entwurfs deuten stark darauf hin, dass der Bau von Grabmälern aus gebranntem Ziegelstein bereits eine etablierte Tradition war, auch wenn sie noch stark von vorislamischen Formen wie dem chahar taq abhing.

Obwohl das Grab heute als die Grabstätte von Ismail Samani bezeichnet wird, könnte es eher als eines von mehreren dynastischen Gräbern gedient haben, von denen keine weiteren erhalten sind.

Heutzutage ist Ismail Samani die wichtigste historische Figur für Tadschikistan. Obwohl sein Grab sich im heutigen Usbekistan befindet, ist mitunter die tadschikische Währung nach ihm benannt.

Text und Fotos: Christian Grosse

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