50 Shades of Smog – Luftverschmutzung in Zentralasien

ENTSCHLÜSSELUNG. Smog liegt über den Städten. Für viele Zentralasiaten ist dies zum Alltag geworden. Besonders im Winter quält die Luftverschmutzung ihre Lungen. Jahr für Jahr belegen die Hauptstädte die ersten Plätze in den Ranglisten der schmutzigsten Städte weltweit und stellen eine Gefahr für die Gesundheit dar. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sind in Diskussion? Kurz und knackig oder besser gesagt quick and dirty berichten wir über den Umgang der Regierungen mit der Verschmutzung.

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[legend] Igors Jefimovs

Nicht zum ersten Mal müssen sich die zentralasiatischen Städte als schmutzigste Städte der Welt schimpfen, das zumindest geht aus den Echtzeit-Messungen der Schweizer Website IQ-Air hervor. Dort erfolgt eine Aufteilung der Städte in sechs Kategorien. Ab einem Wert von über 300 wird die Luftqualität als gefährlich eingestuft.

Die Berechnungen beziehen alle atmosphärischen Schadstoffe ein. Darunter finden sich hauptsächlich die PM2,5 und die PM10, also Mikropartikel, die kleiner als 2,4 beziehungsweise 10 Mikrometer sind. Erstere bilden sich durch Verbrennung, letztere finden sich besonders in Rauch, Staub, Schweiß, Salzen, Säuren und Metallen vor.

Um in einer Stadt risikofrei atmen zu können, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine jährliche PM2,5-Konzentration von nicht mehr als 5 µg/m3. Die Jahreskonzentration der PM10-Teilchen soll den 15 µg/m3 nicht überschreiten. Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2022 hält jedoch keines der zentralasiatischen Länder diesen Grenzwert ein. Die kirgisische Hauptstadt ist Sinnbild der städtischen Verschmutzung: Mit einem Wert von 288 belegte sie zum wiederholten Mal den ersten Platz als dreckigste Stadt im weltweiten Vergleich, berichtet Radio Azattyk, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe.

Dies hat tödliche Folgen für die Bevölkerung. In den letzten zehn Jahren seien 13 Prozent der Tode in Kirgistan durch die Luftverschmutzung verschuldet, geht aus dem Bericht „Luftqualität in Bischkek“ heraus. In Kasachstan komme man bei den Minderjährigen jährlich auf etwa 10.000 durch die Luftverschmutzung verschuldete Tode pro Jahr, berichtet das kasachstanische Medium Kazakhstan Today.

Schuld ist wieder mal die Kohle
Die Todesfälle sind eine indirekte Folge der wachsenden Bevölkerung sowie der Art der Beheizung in den Städten. „70 Prozent der Haushalte werden mit Kohle geheizt, was die Konzentration der PM2,5, also der gefährlichsten Teilchen, ansteigen lässt“, schreibt Kloop. Selbigem Problem sieht man sich in den anderen Ländern ausgesetzt. Die alten Kohlekraftwerke aus der Sowjetzeit helfen durch die rauen Winter, doch sind zugleich für den größten Anteil der Luftverschmutzung verantwortlich.

Hinzu kommt der stetig zunehmende Verkehr. In Usbekistan konnten 60 Prozent der 1,3 Millionen Tonnen der Schadstoffe auf den Autoverkehr zurückgeführt werden. Dieser trägt maßgeblich zur Verstreuung der Staubpartikel bei. In der usbekischen Hauptstadt Taschkent sei die aggravierende Luftverschmutzung auch auf den Bau hoher Gebäude und das allmähliche Verschwinden der Grünflächen zurückzuführen, erklärt Eurasianet.

Die von der Sowjetunion geerbten Umweltkatastrophen, zu nennen sind hier vor allem die nuklearen Versuche in Kasachstan und das Austrocknen des Aral-Sees, belasten die Umwelt nach wie vor. In Forschungen der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) wurde auch die Abholzung als Hauptgrund für die fortschreitende Verschmutzung genannt.

Luftqualität zuverlässig messen – gar nicht so einfach
Wo soll man also anfangen? Fängt man beim System zur Überwachung der Luftqualität an, stellt man fest, dass man die Schweregrade der Länder kaum vergleichen kann, zu wenig uniform sind die gesammelten Daten. In Kasachstan messen beispielsweise 140 Stationen in 45 Städten die Konzentration von 36 Schadstoffen. Dagegen finden sich Tadschikistan lediglich 18 Stationen, verteilt auf fünf Städte, wobei sieben Substanzen unter Beobachtung fallen, erklärt 24.kg.

Vertrauenswürdig sind diese Daten jedoch nicht. Die kirgisische Umweltministerin Dinara Kutmanova sprach kürzlich die Unterschiede zwischen den Daten von MoveGreen und Kyrgyzhydromet an. Letztere Organisation hatte im Jahre 2018 viele Zähler angebracht, denen es jedoch an einer Vereinheitlichung fehlt.

Zentralasien first, Umweltschutz second
Die Behörden haben sich den Kampf gegen Verschmutzung und Smog als Hauptanliegen auf die Agenda geschrieben. Zuletzt kamen die zentralasiatischen Staaten für eine Klimakonferenz am 2. Dezember in Taschkent zusammen.

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Sebastian Peyrouse , Forscher an der George Washington University, klärt mit seinem Bericht auf. Er legt dar, dass Kasachstan von 2015 bis 2017 lediglich 0,2 Prozent seines BIP in Umweltschutz investierte. Und das, obwohl das Land sich diesbezüglich mehr bemüht als all seine zentralasiatischen Nachbarn. Die EU-Mitgliedsstaaten unternehmen dagegen das doppelte des kasachstanischen Budgets.

Die Gesellschaft als Hoffnungsträger
Die Schlussfolgerung des Forschers: „Es muss dafür gesorgt werden, dass man an den Universitäten, in den Instituten, also in unseren Denkfabriken ohne Druck und Furcht vor Repressalien arbeitet.“

Die kirgisische Umweltministerin ist der Ansicht, das Thema Umwelt dringe durch die Gesellschaft in die Politik vor. Die seit dem 11. März 2022 bei einer Konferenz in Bischkek eingeführte Plattform Air Quality Central Asia soll Wissenschaftler, Umweltschützer und Gesellschaft der zentralasiatischen Staaten an einen Tisch bringen. Ziel sei der Austausch der jeweiligen Daten und Erfahrungen.

Der Bericht des IPHR liest sich jedoch pessimistisch: Einerseits, aufgrund des niedrig angesetzten Budgets, das man bereit ist im Kampf gegen die Verschmutzung zu investieren. Andererseits sehen sich gesellschaftliche Verbände mit autoritären Machtstrukturen und einer zentralisierten Umweltpolitik konfrontiert. Der fehlende gesellschaftliche Freiraum, den es braucht, um die Umweltprobleme zu bewältigen, wird sich unweigerlich auf die Effizienz der Umweltschutzmaßnahmen niederschlagen.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Arthur Siavash Klischat

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